St. Martin 04: Feindesliebe und Kriegsdienstverweigerung
Martinus setzte als Christ auf andere Mittel als Waffengewalt, um Konflikte zu lösen.
Kaiser Julian und sein Heer mussten wieder einmal die römische Limes-Grenze zu Germanien schützen. In der Nähe von Worms hatten sie ihr Heerlager aufgeschlagen und die entscheidende Schlacht mit germanischen Stämmen stand unmittelbar bevor.
Alle Soldaten, Legionäre und Offiziere waren vor dem Kaiser erschienen und warteten in geordneter Aufstellung auf seine Worte. Die Offiziere standen in der ersten Reihe. Es war eine bewährte Methode der Kaiser und der Feldherren geworden, die Soldaten vor dem Kampf mit Worten und Geldgeschenken aufzumuntern. So wurden die Soldaten zum Kampf für ihren Kaiser motiviert – und versicherten mit einem Treueschwur ihren Einsatzwillen.
Da war es auch aus psychologischer Sicht ein Skandal, als der Offizier Martinus sein Geldgeschenk verweigerte und seinen Treueschwur auf den Kaiser mit Hinweis auf sein Christsein verweigerte. Kein Wunder, dass der Kaiser vor Wut den Offizier sofort ins Gefängnis setzen ließ. War Martinus als Christ zum Verräter an seinen Mitsoldaten und zum Feigling geworden?
Martinus wollte dieses Missverständnis vermeiden und bot an, sich am nächsten Morgen ohne Waffen vor die römische Legion zu stellen und den germanischen Feinden so zu begegnen. Das nahm Kaiser Julian gerne an, weil er den alten römischen Staatsglauben wieder einführen wollte. Eine bessere Möglichkeit, den Unsinn an der neuen christlichen Staatsreligion öffentlich aufzuzeigen, konnte er kaum erhalten.
Es kam aber nicht dazu. Die Gegner erschienen in der Nacht zu Friedensverhandlungen und ergaben sich der römischen Macht. Martinus wurde im Stillen aus dem Gefängnis entlassen und beendete seinen Militärdienst.
(Volker Collinet)