und Entlassung aus dem Militärdienst
Einsiedler in Norditalien (Mailand, Insel Gallinaria vor Genua)
Der Vater von Martin war ein römischer Militärtribun. Als hoher römischer Beamter war er von der Wichtigkeit des römischen Staates und seiner Staatsgötter sehr überzeugt. Deshalb gab er seinem Sohn den Namen "Martinus". Der Name war damals eine Art Lebensprogramm, das der Vater seinem Kind mit auf den Weg gab. Der Name drückte die vorgesehene Bestimmung oder Eigenschaft des Kindes aus. "Martinus" bedeutete "für Mars, den Kriegsgott bestimmt".
Der Junge wurde in Ungarn geboren und wuchs am Dienstort seines Vaters in Norditalien auf. Sein Interesse für christliche Gedanken und Lebenseinstellungen brachten ihn in regelmäßigen Konflikt mit seinem Vater. Im Alter von 15 Jahren musste Martin zur Militär-Ausbildung. Das war Pflicht für alle Söhne von hohen Militärbeamten und Ausdruck ihrer Treue zum Kaiser.
Die Kaiserliche Garde, in der Martin ausgebildet wurde, war im Winter 334/335 in Nordfrankreich unterwegs. Die Mäntel der Kaiserlichen Garde waren auf der einen Seite mit Schaffell versehen und auf der Außenseite purpurrot wie die anderen Soldatenmäntel. Eine Hälfte des Mantels zahlte der römische Staat, die andere musste der jeweilige Offizier selbst bezahlen. Am Stadttor von Amiens sah Martin den erfrierenden Bettler und teilte seinen Mantel mit ihm. Er gab also seinen selbst gezahlten Mantelteil (das warme Innenteil) dem Bettler und behielt die vom Kaiser (Staat) gezahlte Hälfte für sich übrig.
Diese Erfahrung führte zu seiner ersten großen Lebensentscheidung für das Christentum – er ließ sich taufen. Martin lebte weiterhin in der Spannung seiner christlichen Lebenshaltung und dem geforderten Gehorsam im Kaiserlichen Militärdienst. Die Spannung wuchs durch die Person des Kaisers Julian, der die Wiedereinführung der römischen Staatsreligion anstrebte. Er führte das Heer entlang der römischen Grenze am Rhein, um diese zu sichern. Eine Schlacht stand in der Nähe von Worms an und Martin verweigerte den Treue-Eid zum Kaiser. Der Kaiser warf ihm Feigheit und Verrat vor. Martin bot an, sich am Tag des Kampfes ohne Waffen vor die Schlachtreihen zu stellen und wurde gefangen genommen. Unerwartete Friedensverhandlungen der Gegner verhinderten den Kampf und Martin wurde freigelassen. Er beendete seinen Militärdienst und wurde als Kriegsdienstverweigerer (unehrenhaft) entlassen.
Martin hatte seinen Abschied aus dem Kaiserlichen Heer als Wechsel seines obersten Feldherrn (Befehlsgebers) verstanden und offiziell begründet. Er sagte zum Kaiser: "Bisher habe ich Dir gedient. Erlaube, dass ich ab jetzt als Soldat Christus diene." Vieles in seiner militärischen Ausbildung hatte Martins Lebensweise formal geprägt: die Forderung von Disziplin gegenüber sich selbst und anderen, Befehl und Gehorsam, Kampf gegen Feinde des Herrn, Wachsamkeit, Enthaltsamkeit, Mut, Standhaftigkeit, Gemeinschaftssinn, Kameradschaft und Hierarchie. Er selbst bezeichnete sich als "Soldat Christi".
Die Führungsstärke seines Vaters hatte Martin geerbt und durch seine militärische Elite-Ausbildung noch ausgebaut. So war er eine geborene Führungspersönlichkeit. Doch er musste zunächst einmal seinen Platz im Leben der christlichen Kirche finden.
Nach einem konfliktreichen Besuch bei den Eltern, besonders dem Vater, suchte Martin nach seinem weiteren Lebensweg als Christ. Er ging in die Einsamkeit, um zur Ruhe zu kommen und Gottes Stimme hören zu können. Stille und Konzentration auf Gott fand er als Einsiedler, zunächst in der Nähe von Mailand, später auf der Insel Gallinaria bei Genua.
Seine Erfahrungen veranlassten ihn, gemeinsam mit anderen Männern Gott in der Einsamkeit zu suchen und seinem Willen zu folgen. Martin gründete das Kloster Ligugé in Westfrankreich. Diese Form des Christseins war ihm so wichtig, dass er sich zunächst weigerte, Bischof zu werden und nur mit Mühe davon überzeugt werden konnte. Selbst als Bischof von Tours wollte er diese Lebensform beibehalten und gründete das Kloster Marmoutiers am gegenüberliegenden Loire-Ufer. Täglich fuhr er mit einem Schiff vom Kloster zu seinem Bischofssitz und nach getaner Arbeit wieder zurück, um beide Aufgaben (Bischof und Vorsteher der Klostergemeinschaft) miteinander verbinden zu können.
Martin war als Bischof ein Außenseiter. Er lebte als Mönch in einfachen Verhältnissen und mit einer anderen Berufsauffassung als die anderen Bischöfe. Sie verstanden sich vor allem als hohe Staatsbeamte des römischen Staates und setzten Machtinteressen vor christliche und seelsorgliche Grundhaltungen.
Seine Außenseiterstellung zeigte sich vor allem in zwei Bereichen:
In den Konflikten mit verschiedenen Glaubensrichtungen der Kirche, die automatisch zu Konflikten mit den Kaisern wurden. Hier reiste Bischof Martin allein fünf Mal zu den Kaisern nach Trier, um in Glaubenskonflikten zu vermitteln.
Der andere Bereich war die Seelsorge der einfachen Menschen auf dem Land. Die anderen Bischöfe waren mit ihren Gemeinden in den Städten geblieben. Die Menschen auf dem Land kamen nur schwer dorthin und lebten noch oft ihre alten Religionen. Martin von Tours gründete in der Umgebung seiner Bischofsstadt mehrere Gemeinden von Christen, die von Priestern geleitet wurden. Er gilt als Begründer der Land-Seelsorge. Natürlich gab es auch hier Streitigkeiten, in denen Martin als Bischof vermitteln musste. Bei seinem Besuch in Candes stand ein Streit zwischen zwei Priestern an, den Martin zu lösen versuchte und in hohem Alter dort plötzlich verstarb.